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Streuobstwiese findet Baumpaten
Sieben Familien haben sich zusammengetan – Musterbeispiel für Naturschutz und Miteinander
Artikel von Anneliese Caruso, Südostbayerische Rundschau vom 09.05.2020
Für die acht Bäume in der neu angelegten Streuobstwiese am Römergraben fanden sich nun sieben Paten. Sie werden sich künftig um ihre Schützlinge kümmern und können dann auch in ein paar Jahren die Früchte ernten.
Die Marktgemeinde Waging am See hat die Streuobstwiese zusammen mit dem Traunsteiner Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Initiative der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel im letzten Herbst neu anlegen lassen. „Die Bauhofmitarbeiter der Marktgemeinde, die Eigentümerin des Areals ist, betreuen die Wiese, magern sie aus, haben hochwertiges Blumenwiesen-Saatgut einbringen lassen und mähen sie auch ab“, betonte die Projektleiterin der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel, Marlene Berger-Stöckl im Rahmen eines Informations-Treffens der neuen Baumpaten. Dies fand in gebührendem Abstand direkt auf der Obstwiese statt. Sie freute sich, dass sich sieben Personen mit ihren Familien aus der näheren Umgebung der Wiese zusammengetan haben, um diese Patenschaft zu übernehmen, und bedankte sich bei Anneliese Caruso als Organisatorin der Baumpatenschaften.
So begrüßte Marlene Berger-Stöckl die direkten Grundstücksnachbarn Monika Ries und Klaus Stöhr ebenso wie die Anwohner des nahegelegenen Bajuwarenrings, Agnes Scheuerecker; Gitte, Franz und Sophie Rehrl; Hilde Kaiser; Sepp Rehrl; Nadine, Leni und Konstantin Emge sowie Anneliese Caruso. Als künftige Baumpaten übernehmen sie für die kommenden Jahren die Betreuung von acht Hochstammbäumen mit ebenso vielen verschiedenen Sorten an Äpfeln. Bei diesem ersten Treffen konnte sich jeder seine Lieblingssorte, seinen Wunschbaum, aussuchen, den er jederzeit besuchen und durch die vier Jahreszeiten begleiten kann. Die Sorten, die hier wachsen, zählen zu den lagerfähigen Apfelreifeklassen „Herbst- und „Winteräpfel“, die im September, Oktober oder erst im November gepflückt werden können. Es sind die alten und neuen Sorten „Topaz“, „Brettacher“, „Kaiser Wilhelm“, „Wiltshire, „Spartan“, „Rote Sternrenette“, „Rheinischer Winterrambur“ und „Roter Eiserapfel“.
Monika Ries und Klaus Stöhr zeigten sich bereit, sich um zwei Bäumchen zu kümmern, die übrigen Familien übernehmen jeweils eines. Auf Wunsch kann jeder vielleicht auch noch ein Vogelhaus oder Insektenhotel anbringen lassen, um einer Vogel- oder Insektenfamilie ein Zuhause zu bieten. Darüber hinaus bietet die Patenschaft auch Gelegenheit zu gemütlichem und geselligem Beisammensein.
"Helfen Sie sich gegenseitig in Ihrem gemeinsamen Obstanger, dann wird das Projekt ein Musterbeispiel für Biodiversität, Naturschutz und das Miteinander in der Siedlung", sagte Berger-Stöckl. Das große Interesse sei sehr erfreulich. Weil die Bäumchen noch so klein sind, beschränke sich die Arbeit auf den einmaligen Erziehungsschnitt pro Jahr, der im Frühjahr vorgenommen werden sollte. Ein größerer Auslichtungsschnitt sei erst etwa nach zehn bis fünfzehn Jahren notwendig, damit die Äpfel gut gedeihen. „Zudem sollten die Bäumchen in den ersten beiden Jahren bei Trockenheit gegossen werden.“
Da unter den genannten Baumpaten auch Personen mit wenig Erfahrung im Umgang mit Obstbäumen sind, empfahl Berger Stöckl den Besuch eines Obstbaumschnittkurses mit Theorie und Praxis, den der Kreisverband für Gartenkultur und Landespflege e.V. mit Markus Breier an der Spitze regelmäßig Anfang des Jahres in Palling veranstaltet. „Der Kurs richtet sich an alle interessierten Hobbygärtner aus dem Landkreis Traunstein, die sich Wissen zum Thema Obstbaumschnitt aneignen wollen.“
Berger Stöckl erinnerte auch daran, wie es zur Anlage dieser Streuobstwiese am Römergraben gekommen ist: „Seit Jahren unterstützen die Gemeinden der Ökomodellregion aktiv die Anlage von Obstangern auf gemeindeeigenen Flächen im Rahmen der Streuobstpflanzaktion der Ökomodellregion und des Landschaftspflegeverbandes, um das Kulturgut regionaler Obstsorten zu erhalten und zu pflegen. Streuobstwiesen sind ein Merkmal gewachsener Dörfer, früher waren vor allem die Ortsränder mit Obstangern eingegrünt.“ Die Streuobstwiese inmitten einer Siedlung wirke sich positiv auf den Wohnwert und die Attraktivität der Wohnhäuser aus, sie verbessere das Kleinklima, weil sie im Sommer kühlend wirke, und nicht zuletzt sei es wichtig, „dass wir uns auch mit kleinen Beiträgen unabhängiger von Importobst machen“.
Die Bäume sind im November 2019 gepflanzt worden. Weil der Bauhof aber schon alle Hände voll zu tun hat und sich nicht noch zusätzlich um die Pflege der Streuobstbäume kümmern könne, habe die Marktgemeinde das Kooperationsangebot der Ökomodellregion gern angenommen, die sofort einen Paten für die neuen Bäumchen eingesetzt hat. „Ich war froh, dass Gemeinderat Georg Huber sich dazu bereit erklärt hat.“ Aber Georg Huber habe auch schon andere Baumpatenschaften sowie weitere ehrenamtliche Aufgaben in der Gemeinde übernommen und sei nach seinen Worten „gern bereit, seine Baumpatenschaft an den jetzigen neuen Kreis abzutreten“, überbrachte Berger Stöckl seine Grüße.
Aus ökologischer Sicht sind die extensiv bewirtschafteten Streuobstwiesen wichtig, weil sie einen artenreichen Lebensraum auf verschiedenen Etagen (Baumkronen, Baumstämme und Wiesenboden) bieten. Zusammen sind Wiese und Bäume abwechslungsreiche Lebensräume für Insekten, Amphibien, Reptilien, Vögel und verschiedene Säugetiere, wie zum Beispiel das Mauswiesel, wenn es ein geeignetes Versteck in Form eines Totholz- oder Steinhaufens angeboten bekommt. Auch sind die Obstbäume wichtig für den Klimaschutz, denn die Bäume sind Luftfilter und Sauerstoffproduzenten. Das Grünland wiederum speichert unter seiner Grasnarbe Kohlenstoff.
In der Marktgemeinde Waging wurden wie auch in der Gemeinde Kirchanschöring – am Lapperanger und in Lampoding - bereits mehrere Baumpatenschaften vergeben. Dazu zählen in Waging die große Obstwiese in Ebing, die Obstwiese rund um das Bienenhaus im Kurpark, die Wiese am Sandberg in Tettenhausen oder die Wiese in Otting, die der Kirchenverwaltung gehört. Auch die Wiese am Postkellerberg wurde von den Grundstückseigentümern, zwei Landwirten, für eine Baumpatenschaft zur Verfügung gestellt.
Bislang haben wir insgesamt knapp 850 Bäume gesetzt und sind dem Ziel, 1500 Hochstämme in unserer Ökomodellregion zu pflanzen, doch schon ein ganzes Stück nähergekommen“, freute sich Berger-Stöckl, ehe sie näher auf die Pflanzaktion einging.
Wer sich an der diesjährigen Pflanzaktion von Obstbäumen, die der Neuanlage von Streuobstwiesen oder zu deren Bestandsauffrischung diene, beteiligen möchte, sollte sich im Büro der Ökomodellregion im Rathaus Waging am See möglichst bald unter Telefon 08681- 400537 melden.
Bis dahin sollte der Landschaftspflegeverband Traunstein e.V. wissen, wie viele weitere Bäume im Herbst gebraucht werden. Er organisiert auch für die Ökomodellregion die Sammelbestellung von Obstbäumen und das für die Pflanzung notwendige Zubehör wie etwa Wühlmauskörbe, Verbissschutz-Manschetten und Baumpfähle. Dank einer Förderung über die Landschaftspflegerichtlinien des Freistaates Bayern können in gewissen Fällen die Kosten für die Hochstamm-Bäume und das Zubehör vom Freistaat und vom Landschaftspflegeverband übernommen werden. Nach einer Begutachtung der geplanten Streuobstwiese mit dem Grundstückseigentümer übernimmt der Landschaftspflegeverband die Antragsstellung der staatlichen Förderung, bestellt die Bäume und liefert sie aus.
Dabei wird besonderer Wert auf die Verwendung traditioneller und teilweise auch regionaler Obstsorten gelegt, die sich an die örtlichen Boden- und Klimaverhältnisse anpassen. „Der Landschaftspflegeverband erledigt gegen eine Kostenbeteiligung in größeren Streuobstwiesen auch den Obstbaumschnitt mit dem Ziel, die Kronen der alten Bäume zu entlasten und zu stabilisieren. Dadurch können die Bäume Witterungseinflüssen besser widerstehen, das Obst bekommt mehr Licht und reift besser“, informierte Berger Stöckl.
Zudem bieten der Landschaftspflegeverband und die Ökomodellregion den Obstwiesenbesitzern Unterstützung bei der Obstvermarktung und –verwertung an und vermitteln Kontakte zu regionalen Keltereien. Seit etwa zwei Jahren ist auch eine Bio-Zertifizierung der Streuobstwiese möglich, wodurch höhere Preise für das anfallende Obst zu erzielen sind.
Anneliese Caruso am 9.5.2020