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„Ökologische Wirtschaftsweise fühlt sich stimmig an“
Seit 8 Jahren wirtschaftet der Bockbauernhof nicht mehr konventionell – Landkreisweit einziges Mitglied von BioRegio
Artikel von Karin Kleinert, Südostbayerische Rundschau vom 21.12.2020
Saaldorf-Surheim. Ein kleines Jubiläum kann Ludwig Streitwieser im nächsten Jahr feiern: Dann sind es 20 Jahre, dass er den elterlichen Hof in Ragging übernommen hat. Vor acht Jahren hat er den Milchviehbetrieb auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt. Seit 2019 gehört auch zum „BioRegio-Betriebsnetz“, als einziger Betrieb aus dem Landkreis Berchtesgadener Land. Es habe sich in den letzten Jahren in der Landwirtschaft viel verändert, und das nicht nur zum Guten, so Streitwieser. Man müsse Leidenschaft für den Beruf haben und immer wieder Mut zur Veränderung. Im Gespräch mit der Heimatzeitung sagt er, dass es ihm sehr wichtig ist, Biobauern und konventionell wirtschaftende Landwirte nicht gegeneinander auszuspielen. „Wir müssen das Gemeinsame suchen, an einem Strang ziehen und voneinander lernen“.
Damit auch andere von ihren Erfahrungen profitieren können, wurden die Streitwiesers für das „BioRegio Betriebsnetz“ ausgewählt, einem bayernweiten Verbund aus hundert regionstypischen, ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Das Betriebsnetz ist einer der Bausteine des 2013 von der Bayerischen Staatsregierung initiierten Förderprogramms „BioRegio 2020“. Im Zuge dessen waren auch die 27 Ökomodellregionen (Saaldorf-Surheim ist seit 2016 bei der ÖMR Waginger See – Rupertiwinkel) gegründet worden. Es wird als „BioRegio 2030“ fortgesetzt. Ein breit zusammengesetztes Gremium hat das Betriebsnetz ausgewählt, wie Klaus Wiesinger, Leiter des Kompetenzzentrums ökologischer Landbau in der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, auf Nachfrage erklärt. Das Besondere ist, dass die teilnehmenden Betriebe „Bauer zu Bauer-Gespräche“ anbieten, wo sich konventionelle ebenso wie umstellungsinteressierte Landwirte bei erfahrenen Berufskollegen informieren können. Außerdem sind die Höfe Anlaufstelle für landwirtschaftliche Fachschulen, die Ökobetriebe besichtigen wollen (Infos unter www.lfl.bayern.de/bioregiobetriebe).
Obwohl die Kontaktaufnahme unkompliziert ist - entweder direkt über den Betrieb oder über die Landesanstalt -, gab es am Bockbauernhof noch keine Anfragen. Ludwig Streitwieser erzählt, dass er auch Termine anbieten kann, die auf der Homepage der LfL veröffentlicht werden. Das habe er bisher einmal gemacht, die Resonanz von Interessierten blieb jedoch aus, was er aber nicht weiter dramatisch finde.
Ludwig und seine Frau Michaela bewirtschaften den Bockbauernhof, zu dem etwa 35 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche gehören, im Vollerwerb. Der stattliche, denkmalgeschützte Backsteinbau von 1837 in Ragging, einem Ortsteil von Saaldorf-Surheim, gehörte einst zur Grundherrschaft vom Kloster St. Peter. Die Historie der Hofstelle lässt sich freilich noch viel weiter zurückverfolgen, wie im Heimatbuch von Saaldorf-Surheim nachzulesen ist. Die Räumlichkeiten wurden im Verlauf der Jahre nach und nach saniert, so dass es sich für die fünfköpfige Familie in dem dreistöckigen, traditionsbehafteten Gemäuer gut leben lässt.
50 Stück Fleckvieh finden ausreichend Platz
Der Stall wurde im Zuge der Umstellung durch kleine Umbauten an die Bio-Richtlinien angepasst, wodurch die etwa fünfzig Stück Fleckvieh genug Platz und Bewegungsfreiheit haben. Im Sommer stehen sie auf der Weide, wo sie frisches Gras finden. Streitwieser erzählt, dass er, wenn die Kühe auf der Weide sind, oft von Spaziergängern angesprochen werde, dass es schön sei, wenn die Tiere so wie früher draußen stünden. Das sei auch gut fürs Image der Bauern, sagt der 47-Jährige mit einem Schmunzeln. Die Milch wird an die Milchwerke Berchtesgadener Land nach Piding geliefert.
Die Umstellung auf die Bioschiene war ein Richtungswechsel, der für ihn und seine Frau inzwischen sehr gut passt. Bevor er umstellte, so der Landwirt, habe er sich oft überlegt, wo die Reise hingehen soll, ob alles immer weiter wachsen solle. Plötzlich habe er vieles hinterfragt, sich mit anderen Biobauern unterhalten und dann für sich die Sinnfrage gestellt. Weil er erkannte, dass der „andere Weg endbar ist“, wie er es ausdrückt, habe er umgestellt. Im Rückblick gesehen, sei die „Umstellung im Kopf“ für ihn das Schwierigste gewesen. Auch habe er es sich komplizierter vorgestellt, nach den Naturland-Richtlinien zu wirtschaften. Nach wie vor findet es der Landwirt bemerkenswert, dass die Feldarbeit auch ohne Chemie funktioniert und sich die Struktur des Ackers sogar verbessert hat. Obendrein fällt, wenn man keinen mineralischen Dünger verwendet, auch weniger Gülle an, was wiederum Wasser und Boden schütze.
Michaela Streitwieser bringt es auf den Punkt: Die ökologische Wirtschaftsweise, der respektvolle Umgang mit der Natur und den Tieren fühlt sich einfach stimmig an.
Probleme könne es beim Futterzukauf geben, erklärt der Biobauer. Da seine Flächen knapp sind, müsse er, wenn ein schlechtes Jahr sei, Futtermittel zukaufen. Und das ist mitunter nicht nur kostspielig, manchmal sei es auch schwierig, an gute, biozertifizierte Ware zu kommen. Damit der Familienbetrieb selbst genügend Heu produzieren kann, hat Streitwieser vor zwei Jahren eine Trocknungs- und Maschinenhalle mit Solarmodulen auf dem Dach gebaut. Dort kann er nicht nur das Gras, sondern auch Getreide unabhängig von der Witterung trocknen. Irgendwann soll eine Hackschnitzelheizung dazukommen, aber das sei noch Zukunftsmusik.
Einen kleinen Teil der Biomilch lassen die Streitwiesers von einer mobilen Käserei als „Waginger See Kas“, der Dachmarke für Biokäse aus der Ökomodellregion, verarbeiten. Der Käse ist in erster Linie für den eigenen Gebrauch, wird aber auch in einigen Bioläden und regionalen Edekamärkten zum Verkauf angeboten. Sie bekämen zwar etwas mehr Geld als für die Milch, trotzdem zähle beim Kas der ideelle und nicht der finanzielle Wert. Für sie und die Verbraucher sei es einfach schön, vor Ort produzierten Käse in Bioqualität kaufen zu können. Ein guter Vermittler sei hier die Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel gewesen. Der Vollerwerbslandwirt sieht die Ökomodellregion als Netzwerk, wo die Fäden zusammenlaufen und wo er auch ganz praktische Unterstützung bekommt wie etwa beim Infostand am Gewerbesonntag, den die Gemeinde bereits zweimal veranstaltet hat. Er findet es gut und wichtig, dass die Menschen bei solchen Veranstaltungen ermuntert werden, sich wieder intensiver mit der Landwirtschaft und der Produktion von Nahrungsmitteln zu beschäftigen.
Die Nachfolge-Frage sehen Streitwiesers entspannt
Zum Schluss kommt noch das wichtige Thema Hof-Nachfolge zur Sprache, das freilich noch in weiter Ferne steht. Ludwig Streitwieser seiht das entspannt und sage, dass seine Kinder den Familienbetrieb nicht weiterführen müssten. Wobei, freuen würde er sich schon, wenn das Leben und die Strukturen auf dem Bockbauernhof erhalten blieben. Das „Wie“ sei aber dann die Sache der Jüngeren.
Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“ der Südostbayerischen Rundschau 2020:
30% Biolandbau, das ist seit 2019 gesetzliches Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern .