Leben im eigenen Ökosystem

Bio in Serie: Bienenvölker, Hühner, Kühe, Puten, Forellen und eine besondere Wiese – Besuch bei Matthias und Rosi Winkler

Artikel von Dorothee Englschallinger vom 26.09.2020, Südostbayerische Rundschau

Ollerding. Bienenvölker, Hühner, Kühe, Puten, Forellen oder eine prämierte Kräuterwiese mit Seltenheitswert: Die Familie Winkler vom Moierhof in Ollerding hat sich ein Bioparadies geschaffen. Im Gemeindegebiet Tittmoning lebt die Familie quasi im eigenen Ökosystem. Genauso wie Tiere und Natur in dieser Lebensgemeinschaft von ihnen abhängig sind, ernähren diese wiederum die Bauernfamilien.

Idyllisch steht er da, der Moierhof in Ollerding, auf welchem Matthias und Rosi Winkler gemeinsam mit ihrem Sohn Vitus leben, arbeiten und glücklich sind. Vor zwölf Jahren bekam Matthias Winkler den landwirtschaftlichen Betrieb von seinem Vater übergeben. „Da war der Sprung nicht mehr so groß“, begann der gelernte Landwirt und Zimmerer sogleich, den Vollerwerbsbetrieb von konventioneller auf die biologische Bewirtschaftung gemäß den Naturland-Richtlinien umzustellen. Seit 2008 ist der Moierhof ein Biobetrieb und liefert die Milch der 33 Kühe an die Molkerei Berchtesgadener Land in Piding.

Gemäht wird erst im Juli

Auch wenn sich die Aufnahme bei der Molkerei zur „unsicheren Hängepartie“ entwickelte, ohne verlässliche Zusicherung, nach der zweijährigen Umstellungsphase genommen zu werden, ließ sich der 47-Jährige nicht von seinem Weg abbringen. Für seine Vision eines Biobetriebes nahm Matthias Winkler trotz entgegengebrachter Skepsis den „unbequemen Schritt“ in Kauf. Schließlich wurden die Flächen bereits vorher ohne den Einsatz von Mineraldünger bewirtschaftet, jahrelang kein Mais angebaut und der Betrieb nahm freiwillig an den Umweltmaßnahmen im Rahmen des bayerischen Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) teil.

Gewürdigt wurde die überzeugte biologische Wirtschaftsweise von Matthias und Rosi Winkler mit dem erfolgreichen zweiten Platz einer ihrer Wiesen bei der Wiesenprämierung im Jahr 2017, zu welcher die Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel in Zusammenarbeit mit der Lokalen Aktionsgruppe LEADER Traun-Alz-Salzach und der Integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) Waginger See – Rupertiwinkel aufgerufen hatte. Wollten Matthias und Rosi Winkler anfänglich kein großes Aufsehen um ihre Hangwiese zwischen Ollerding und Salling erwecken, ließen sie sich schließlich doch zu einer Teilnahme an der Wiesenprämierung überreden.

Die Jury entschied: Die aus einem trockenen, blütenreichen Hang und einer ebenen, feuchteren Fläche bestehenden Wiese der Familie Winkler ist „ein verstecktes Kleinod und etwas ganz Besonderes“. Gemäht wird die Wiese zur Heugewinnung erst im Juli, was viel Handarbeit erfordert. Seit 20 Jahren nicht gedüngt, wachsen neben Kreuzlabkraut, Skabiosen, Flockenblumen, Pfennigkraut und pfirsichblättrigen Glockenblumen auch beliebte Küchen- und Heilkräuter wie Thymian, Oregano, Spitzwegerich und Wiesensalbei sowie viele nur noch selten zu findende Arten auf der ehemalig als Hirschgehege genutzten Wiese am Waldrand. „Die Vegetation verändert sich im Verlauf der Wiese durch die Hanglage“, erklärt die gelernte Bürokauffrau Rosi Winkler und meint auch die zahlreichen Insekten und Schmetterlinge, die sich vor allem im unteren Bereich nahe der Quelle mit angrenzendem Bachlauf auftaten. Jetzt hat Familie Winkler die prämierte Wiese für das EU-geförderte Vertragsnaturschutz-Programm (VNP) angemeldet.

Neben den Milchkühen mit Jungvieh halten Matthias und Rosi Winkler Hühner, Enten und Wildputen aus eigener Nachzucht. Den Großteil ihrer Stierkälber geben sie an einen bekannten Almbauern ab, welcher diese als Ochsen auf seinen Almwiesen mästet. Eine Geschäftsverbindung, die der leidenschaftliche Volksmusikant Matthias Winkler unter Musikerkollegen aufgebaut hat. Um zwei Bienenvölker und drei Pferde kümmert sich Bäuerin Rosi Winkler, die selbst aus einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in Saaldorf-Surheim stammt.

Immer bei der Arbeit mit dabei sind der Australian Shepherd „Hannerl“ und Königspudel „Ringo“. Karpfen- und Forellenweiher für den Eigenbedarf ergänzen die Vielfalt auf dem Moierhof. Auf den Feldern baut der Biolandwirt Weizen, Triticale, Hafer und Erbsen als Futter für sein Vieh an. Für den Feldfruchtanbau zum Verkauf fehlen die Flächen. Allerdings komplettieren auf den Feldern angebaute Kartoffeln und Zwiebeln den Eigenbedarf aus dem Bauerngarten. Im Winter fällt in den einige Hektar umfassenden Waldstücken Holzarbeit an.

Ein Leben im eigenen Ökosystem, in dem Tier und Mensch voneinander abhängig sind. Genauso wie die Tiere und die Natur in dieser  Lebensgemeinschaft von ihnen abhängig sind, ernähren diese die Bauernfamilie. Zwar stehen keine Hochleistungskühe im Stall, aber allein, „dass Viecher umeinanderlaufen“, erfreue das Gemüt, gibt Matthias Winkler humorvoll seine idealistische Lebenseinstellung preis: „Für den Geldbeutel bringt es nichts, aber für die Seele“. Eine Philosophie, die auch seine Frau Rosi teilt, wenn sie sich im Winter an den Vögeln erfreut, die vor dem Küchenfenster im Garten die extra nicht geernteten, leuchtenden Beeren von den Sanddornsträuchern picken.

Vorteil Bauernhof: Staufreier Arbeitsweg

Am Leben auf dem Moierhof schätzt das Familie Winkler vor allem „den staufreien Arbeitsweg“ und „dass jeder Tag anders ist“. Trotz der Gebundenheit an das Vieh sind Matthias und Rosi Winkler mehr als zufrieden, denn „das was andere im Urlaub suchen, dürfen wir jeden Tag haben“. Ihre Naturverbundenheit vermitteln sie mit Freude an ihren elfjährigen Sohn Vitus, welcher reges Interesse am Umgang mit den Tieren auf dem Biohof zeigt. Daher verbringt die Familie an den Wochenenden gerne die Zeit bei einem Waldspaziergang. Schließlich stammen Matthias und Rosi Winkler beide aus einer Jägerfamilie und haben sich beim Jägerkurs kennengelernt. Allerdings sind sie keine Anhänger der gegenwärtigen Meinung „Wald vor Wild“ und werden als passive Jäger das Reh niemals als Ungeziefer ansehen.

Solange Familie Winkler von ihrem Biohof leben können, werden sie weiter die vielseitigen Möglichkeiten der biologischen Landwirtschaft ausschöpfen. Während Bäuerin Rosi Winkler stetig an ihren im Homöopathie-Kurs erworbenen Kenntnissen für den präventiven Einsatz bei Kühen und Kälbern experimentiert, setzt Landwirt Matthias Winkler zur Arbeitserleichterung aktuell den Bau eines Tretmiststalls für das Jungvieh um.

Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“ der Südostbayerischen Rundschau 2020:

30% Biolandbau, das ist seit 2019 gesetzliches Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern .

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