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„Die Natur ist verdammt ehrlich“
Biobetrieb aus Überzeugung: Hans und Elfriede Praxenthaler – Pionier im Bau „Kleiner Laufstall“
Artikel von Dorothee Englschallinger vom 07.09.2020 Südostbayerische Rundschau
Fridolfing/ Thannsberg. Langsames Wachstum ist für Landwirt Johann Praxenthaler in jeder Hinsicht der richtige Weg. Nie fühlte er sich bei der Führung seines Biobetriebes in Thannsberg bei Fridolfing, den er gemeinsam mit seiner Frau Elfriede bewirtschaftet, vom Kapital getrieben. Stets blieb er seinem idealistischen Denken als Lebensphilosophie treu. Ein Grund, warum die Erfahrung von Hans und Elfriede Praxenthaler über nachhaltige Wirtschaftsweisen bei Entscheidungsfindungen innerhalb der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel mit einfließen.
Im Jahre 2003 stellten Hans und Elfriede Praxenthaler ihren Betrieb auf die Bewirtschaftung nach biologischen Richtlinien des Verbands Naturland um. Obwohl der Unterschied des Milchpreises von biologisch zu konventionell erzeugter Milch zu diesem Zeitpunkt gerade einmal drei Cent ausmachte, blieb Hans Praxenthaler seinem idealistischen Weltbild treu und hatte „Glück mit der Molkerei“. Seither wird die Biomilch der 25 Kühe an die Molkerei Berchtesgadener Land in Piding geliefert.
Als „Naturbursche“ für´s Leben gelernt
Gedanklich „umgestellt“ hatte der 56-Jährige aber bereits viel früher. Mit dem Bau des ersten „Kleinen Laufstalls“ im Landkreis Traunstein im Jahre 1989 gilt er noch heute als Pionier auf diesem Gebiet. Seine vielfach belächelte Idee eines Laufstalls für die damals 20 Milchkühe
sollte eine Mutprobe für sein Bauchgefühl werden. Ein Instinkt, den ihm sein Vater „einpflanzte“. „Als Naturbursche habe ich für´s Leben gelernt“, beschreibt Praxenthaler seine kreative und innovative Ader. Mit diesem Gespür trifft der experimentierfreudige Landwirt täglich zahlreiche Entscheidungen auf seinem Betrieb, akzeptiert aber auch gelegentliche Fehler, um diese künftig zu vermeiden.
Der selbst geplante Bau des „Kleinen Laufstalls“ als moderne Alternative zum uralten Gebäude mit Anbindehaltung und viel Handarbeit beim Ausmisten, Füttern und Melken wurde zum Erfolg für Hans Praxenthaler, welchen der Bayerische Rundfunk Anfang der 90er Jahre mit einem Beitrag in „Unser Land“ dokumentierte. Weiterhin dankten es ihm die Kühe mit einer verbesserten Tiergesundheit. Seit zwölf Jahren setzen Hans und Elfriede Praxenthaler nahezu ausschließlich homöopathische Arzneimittel bei ihren Kühen ein. „Es geht nicht alles, aber viel“, entwickelte Elfriede Praxenthaler nach der Teilnahme an einem Kurs für homöopathische Behandlungsmethoden ein Feingefühl, die symptomatischen Signale der Kühe zu deuten und mit erprobter Homöopathie zu behandeln. „Betriebe mit 100 Kühen und mehr haben keine Chance, ihre Kühe ausreichend zu beobachten“, lehnen Hans und Elfriede Praxenthaler prophylaktische Impfungen des gesamten Kuhbestandes ebenso ab wie den Einsatz von antibiotischen Trockenstellern.
Diese Flexibilität, frei und ohne Abhängigkeit andere Dinge ausprobieren zu können, heißt das naturverbundene Ehepaar am Bio-Bereich für gut. Waren in den 90er Jahren Feldfrüchte nicht interessant, möchte sich Hans Praxenthaler im Anbau von Biobraugerste und Dinkel versuchen. Wo immer es den tierischen Dünger der Kühe als Stickstofflieferant für den Boden benötige, kennt Praxenthaler das unschlagbare „Wiederkäuer-Phänomen“, die dort fressen, wo sie auch entsorgen. Auch wenn Brennnesseln, Löwenzahn, Kornblumen und Co. für sie nicht zur Sorte „Unkraut“ gehören, kümmert sich Elfriede Praxenthaler auf dem ganzen Betrieb um die Ampferbekämpfung mit dem Ampferstecher.
„Das System als Ganzes sehen“
„Wir müssen das System als Ganzes sehen, in dem auch wir Menschen Teil sind“, sieht Praxenthaler als leidenschaftlicher Naturimker in der eigenständigen Lebensweise eines Bienenvolkes die „Wunder der Erde“. Hier arbeite das Volk für die Königin und die Königin für das Volk. Mit egoistischer Lebensweise, „als wäre man allein auf der Welt“, mache das ganze System keinen Sinn. „Wenn wir Mensch auch so wie die Bienen wären, hätten wir eine Überlebenschance“, bemängelt Praxenthaler die zu kleinen Zeiträume, in welchen der Mensch denkt. Eine nachhaltige Denkweise sei gefragt, denn „die Natur ist verdammt ehrlich“, vermittelten Hans und Elfriede Praxenthaler ihren Kindern und Enkelkindern die Lebenseinstellung, in all ihrem Tun nicht nur den Ertrag zu sehen. In der Bio-Branche sei das ideelle Denken nicht durch kapitalgetriebenen Druck verdrängt. Daher begrüßt das Ehepaar besonders den ehrlichen Umgang der Bio-Landwirte untereinander.
Als ambitionierter Jäger befindet sich Hans Praxenthaler immer wieder gerne in dem ihm Kraft spendenden „Lebensmittelpunkt Wald“ und sieht Parallelen zu seinem eigenen Sein. „Jeder macht seine Episode auf der Welt“, akzeptiert Praxenthaler den Tod als Neuanfang, ähnlich wie das verrottende Totholz lebenswichtig für die Erneuerung des Waldes ist. Aber – und da schließt Hans Praxenthaler den Kreis seiner Philosophie zum Leben auf dem Biohof – „vom Idealismus allein kannst du nicht leben“. Zu den Einnahmen aus der Landwirtschaft brauche er den Zuverdienst aus Nebenjobs.
Wohlwissend, dass nicht jeder die Möglichkeit zum freien und zufriedenen Leben nach seinen Idealen hat, schätzen die Praxenthalers das Glück gemeinsam mit ihren Hunden Bella und Romy auf ihrem Biobetrieb in Thannsberg. Während die Fridolfinger Ortsbäuerin (53) die Erträge aus dem Bauerngarten für den Winter einmacht, bringt Hans Praxenthaler gelegentlich Rehfleisch von der Jagd mit nach Hause. Das regelmäßig auf den Hof kommende Traunsteiner Käsemobil, welches aus der eigenen Milch herzhaften Käse herstellt, rundet die Idee der Selbstversorgung auf dem Biohof der Familie Praxenthaler ebenso ab wie die Photovoltaikanlage auf dem Scheunendach. Zudem schöpft das Ehepaar neue Energie beim Berggehen und erfreut sich an der bunten Blütenpracht im eigenen Garten. Und vielleicht dürfen auch irgendwann Dritte frischen Käse, Honig und Wildfleisch vom Biohof in Thannsberg genießen, wenn Hans und Elfriede Praxenthalers Töchter die bereits existierende Idee einer Direktvermarktung oder eines kleinen Hofcafés verwirklichen.
Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“ der Südostbayerischen Rundschau 2020:
30% Biolandbau, das ist seit 2019 gesetzliches Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern .