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Den Verbrauchern zeigen, wo das Essen herkommt
Landwirtschaftsmeister Peter Forster leitet den Biobetrieb in der JVA Laufen-Lebenau
Artikel von Dorothee Englschallinger, Südostbayerische Rundschau 27.10.2020
Laufen. Seit Jahren arbeitet er mit daran, die seltene alte Weizensorte „Laufener Landweizen“ wieder im Rupertiwinkel zu etablieren: Landwirtschaftsmeister Peter Forster in seiner Funktion als Betriebsleiter der Abteilung Landwirtschaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Laufen-Lebenau. Baute der Justizvollzugsbeamte den „Laufener Landweizen“ anfänglich zur Vermehrung und als Futter für die Rinder an, weckte die originäre Landsorte mit ursprünglichen Inhaltsstoffen seit dem Aufbau eines Vermarktungsnetzwerkes zwischen Bio-Landwirten und Produzenten durch Projektleiterin Marlene Berger-Stöckl der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel vermehrt das Interesse regionaler Bäcker, um mit der wertvollen Weizensorte aus biologischem Anbau exklusive Backwaren für ihre Kunden zu kreieren.
Als gewissenhafter Beamter des Freistaats Bayern „stehst du immer im Fokus“, sieht sich Peter Forster „in der Verpflichtung, etwas im Bereich Nachhaltigkeit zu machen“. Daher begrüßt er den aktuellen Entschluss der bayerischen Staatsregierung, alle JVA-Landwirtschaftsbetriebe in Bayern auf Bio umstellzustellen. Allerdings gibt Forster zu bedenken, dass „Bio zum Betriebsleiter passen muss“.
Im Nachhinein ist der 58-Jährige froh, dass er diesen Schritt bereits hinter sich hat und frühzeitig den Trend der Zeit erkannte. 2004 stellte der erfahrene Landwirtschaftsmeister den zuvor mit klassischer Bullenmast geführten Betrieb auf die ökologische Bewirtschaftung nach Naturland-Richtlinien um. „Andere bayerische JVAs tun sich heute schwer bei der Umstellung“, denkt er an Kollegen, welche durch beengte, denkmalgeschützte Gebäude gezwungen sind, auszusiedeln oder die vorhandene Biogasanlage nicht mehr mit Mais betreiben dürfen.
In jener Zeit, in der die zuvor an der betrieblichen Tierstückzahl gemessenen landwirtschaftlichen Prämienzahlungen auf die Anzahl der Hektar geändert wurde, sah Peter Forster den Anbau ökologischer Feldfrüchte für besonders wirtschaftlich an. Seine Intuition und sein Mut zu diesem Schritt wurden belohnt. Als Erfolg stellte sich die bis heute im Rahmen der Bioerlebnistage jährlich stattfindende Aktion „Kartoffeln selber klauben“ heraus. „Ich möchte dem Verbraucher zeigen, wo das Essen herkommt“, freut sich Forster über den Zuspruch und ist jedes Mal fasziniert, wenn Kinder, Erwachsene bis ins hohe Alter und chic gekleidete Ausflugsgäste aus der Großstadt gleichermaßen Spaß am Sammeln der Kartoffeln direkt vom Feld haben. Dieses sei die Belohnung für die mühevollen Arbeitsschritte im Kartoffelanbau, zeigt sich Peter Forster auch in diesem Jahr zufrieden mit dem „Drive-In-Kartoffelverkauf“ ab Feld als Corona-Notlösung.
Als das „Schöne an der Landwirtschaft“ empfindet Forster die enorm abwechslungsreiche Arbeit und die damit verbundenen Freiheiten. Allerdings sei Durchhaltevermögen gefragt, in welchem insbesondere die Insassen auf die Probe gestellt würden. Geduldig machen der seit 1987 in der JVA Laufen-Lebenau tätige Peter Forster und sein Team täglich sechs bis acht kurz vor der Entlassung stehende jugendliche Straftäter mit den landwirtschaftlichen Arbeiten vertraut. Bei der gemeinsamen Feldarbeit werde der Teamgeist gestärkt und das soziale Denken gefestigt. Scheint das Mähen einer Wiese von Hand für die Insassen anfänglich als unerreichbar, stelle sich nach vollbrachter Gemeinschaftsarbeit das Gefühl stolzer Zufriedenheit ein. Einen besonderen Vertrauensbeweis erlangen die jugendlichen Straftäter, wenn sie selbst einen Baum gefällt haben. Doch oft „fangen wir bei null an“, bemängelt Forster neben nicht vorhandener Ausbildung und Führerschein das fehlende Gefühl, um die landwirtschaftlichen Arbeiten mit Präzision ausführen zu können.
Das Wichtigste am Landwirtschaftszweig in der JVA sei die Beschäftigung für die Gefangenen, weiß Forster um das Zurechtkommen mit den Staatsvorschriften. Jahrelanges Beantragen einer neuen Maschine sowie der eingeschränkte Handlungsspielraum für Außengeschäfte aufgrund der vorrangig zu leistenden Beaufsichtigung der Gefangenen mildern die Freiheiten in der Landwirtschaft.
Neben 13 Mutterkühen auf Weidegang werden seit 1992 30 Mutterschafe der vom Aussterben bedrohten Schafrasse „Deutsches Waldschaf“ versorgt und die lebenden Lämmer an Interessenten veräußert. Zudem werden im Landwirtschaftszweig der JVA Laufen-Lebenau 30 Hektar Acker in der Fruchtfolge Kleegras, Körnermais, Sojabohne, Triticale, Hafer und Kleegras bewirtschaftet sowie 20 Hektar Grünland und etwas Waldfläche gepflegt. Alle acht Jahre erntet Peter Forster die Pappelruten des angelegten Energiewaldes. Eine Agrarforstkultur, die einmal angepflanzt immer wieder von selbst nachwächst und zeitgleich als Windbrecher dient, in welchem Biotope für eine artenreiche Tierwelt entstehen.
Auch wenn es Peter Forster selbst nicht glauben kann, war der von ihm in der JVA Laufen-Lebenau geführte Landwirtschaftsbetrieb im Jahre 2004 der erste Betrieb in der Gemeinde Laufen, welcher auf Bio umgestellt wurde. Als „Werbung“ für die biologische Bewirtschaftung habe die Wuchshöhe der Maispflanze, an welcher Bio-Landwirte insgeheim gemessen werden, eine positive Wirkung auf andere Berufskollegen ausgestrahlt. Und auch nach über 30 Jahren als Betriebsleiter des Landwirtschaftszweiges in der JVA Laufen-Lebenau ist Peter Forster des Experimentierens noch nicht müde. Als neuestes Projekt möchte er sich in Zusammenarbeit mit der Biosphärenregion Berchtesgadener Land am Anbau der alten Getreidesorte „Berchtesgadener Vogel“ probieren.
Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“ der Südostbayerischen Rundschau 2020:
30% Biolandbau, das ist seit 2019 gesetzliches Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern .